Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Heiliger Geist?!
Predigt an Pfingsten 1999

 

Predigttext: Johannes 14, 16f. und 25.f

Liebe Gemeinde,

mit dem Heiligen Geist haben wir so unsere Schwierigkeiten. Mit Jesus ist das einfach. Der war ein Mensch wie wir. Mit Gott geht das auch noch. Irgendwie, so ahnen, so spüren wir, gibt es da eine Macht jenseits unserer Welt, einen Schöpfer, der alles zusammenhält. Aber Geist? Und gar Heiliger Geist?! Da bekommen viele Schwierigkeiten. Von daher möchte ich mit Ihnen heute, am Pfingsttag über den Heiligen Geist nachdenken.

Wann sprechen wir Menschen vom Geist? Das Wort benutzen wir alltäglich. Da gibt es einmal die Unterscheidung zwischen Geist, Seele und Leib. Aber das bleibt noch sehr diffus. Wir kommen weiter, wenn wir daran denken, daß wir einen Menschen, der sinnvolle, tiefgreifende Gedanken äußern kann, auch schon mal als geistreich bezeichnen. Oder wir sprechen vom Geist eines Ereignisses. Jahrelang hat man in der Welt vom Geist der Konferenz von Camp David gesprochen, in der Israel und Ägypten Frieden schlossen. Man könnte sagen, da entstand etwas, was weiter wirkte. Oder denken wir an große Sportveranstaltungen wie Fußballendspiele: da werden die Fans mit gerissen von der Be-Geist-erung. Ähnliches gilt für Konzerte, ganz gleich ob Pop, Rock oder Klassik: versteht der Künstler oder die Künstlerin sein bzw. ihr Handwerk, dann springt ein Funke +über, das Publikum, die Zuhörer(innen) werden mitgerissen oder auch verführt, be-geist-ert eben. Und welcher Wahlkampfredner träumt nicht davon, eine Menschenmenge in Bann zu schlagen, den richtigen Ton zu treffen, die Massen zu be-geist-ern. Das gibt es leider auch im dunklen Bereich: Hitlers Gefolgsmann Goebbels.

Geist kommt also überall in unsere Welt vor. Es gibt gute und böse Geister. Gemeinsam ist ihnen allen, daß sie nicht recht faßbar sind, sie sind eher flüchtig.

Im Alten Testament bedeutet das Wort "Geist" zunächst Wind und Hauch. Der Geist Gottes schwebte auf dem Wassern, heißt es schon ganz am Anfang der Bibel. Doch dieser Geist Gottes wird im AT immer wieder als etwas Fremdes erlebt. Er überfällt Menschen, was er sagt, passt selten zu dem, was den Menschen schon bekannt ist. Die Propheten werden vom Geist Gottes erfasst, ja überwältigt, geradezu gezwungen - für Gott zu sprechen, dessen Willen den Menschen kund zu tun. Der Geist Gottes kommt im AT unerwartet, ungeplant und er schlägt unerhörte Töne an. Der Geist Gottes legt sich im AT quer zu allen anderen Geistern, seien es menschliche oder andere "göttliche" Geister (anderer Götter).

Wenn wir also vom "Heiligen Geist" Gottes sprechen, so müssen wir vom AT her sagen:

Das ist kein Geist der Anpassung; kein Geist, der Angst hat, aufzufallen; kein Geist, der sich scheut, unbequemes zu sagen.

Blicken wir in Neue Testament, wird der Geist Gottes freundlicher, obwohl die Erfahrungen der Menschen aus der Zeit des AT auch noch vorkommen.

Zuallererst ist der Heilige Geist hier der Geist, der uns durch Jesus Gott zeigt.

Mit Jesus beschäftigen kann ich mich auf vielerlei Weise. Auch auf sehr geistreiche Weise. Wissenschaftlich, literarisch, künstlerisch. Aber das hat alles noch nicht mit dem Heiligen Geist zu tun. Erst wenn ein Mensch erkennt, daß in dieser oder jener Jesus-Geschichte etwas von Gott zu erfahren ist, dann ist da der Heilige Geist am Werk. Er öffnet Augen und Ohren dafür, daß in Jesus etwas von Gott zu erfahren ist, Jesus quasi eine Art Spiegel für die Liebe Gottes zu uns ist. Das ich das erkenne, das ist Wirken des Heiligen Geistes. Der macht´s, daß ein Mensch Jesus als Boten Gottes erkennt. Der macht´s, daß ein Mensch offen wird für Jesus. Der macht´s, daß Menschen verstehen: Jesus war in allem, was er sagte und tat selbst vom Geist Gottes bestimmt.

Der Heilige Geist ist überall da am Werk, wo etwas von Gottes Liebe in Jesus deutlich wird. Er führt in die Wahrheit. Tröstet. Erinnert an Jesus. Vertritt Gott bei uns Menschen.

Wenn das so ist, dann hat der Heilige Geist auch mit mir zu tun. Er führt auch mich in die Wahrheit. Zeigt mir Jesus. Tröstet mich. Erinnert mich an Jesus. Der Heilige Geist, das ist Gott bei mir.

Paulus hat darauf besonderen Wert gelegt. Mit dem Geist Gottes, der sich in Jesus zeigt, kommt etwas ganz Neues in die Welt. Der Geist bricht etwas auf, er bricht an. Paulus geht sogar soweit, daß er davon spricht, daß durch den Heiligen Geist ein Mensch neu geschaffen wird.

Paulus sagt auch: der Geist Gottes zeigt uns Jesus. Aber damit fängt etwas neues in meinem Leben an, oder es war doch nicht das Wirken des Heiligen Geistes. Wer von ihm ergriffen wird, bleibt nicht der oder die Alte. Das kann so spektakulär sein wie die Bekehrung des Paulus vor Damaskus, aber es kann auch sehr still daher kommen, kaum wahrnehmbar für Außenstehende. Aber es fängt etwas neues an. Es kommen neue Gedanken. Ich sehe die Welt mit neuen Augen, meine Augen und Ohren, mein Herz werden offen für die Freuden und Sorgen anderer Menschen. Der Heilige Geist vermittelt das Gefühl, die Gewissheit, in dieser Welt nicht allein zu sein, vermittelt Geborgenheit in einer Macht, die jenseits dieser Welt steht, jenseits von Leid, Trauer, und Tod, aber auch jenseits von Glück und Erfolg. Wen der Heilige Geist ergreift, bleibt nicht der oder die Alte. Da springt ein Funke über, ein ganz kräftiger oder auch ein sehr kleiner, kaum sichtbarer. Auf jeden Fall wird etwas neu und anders.

Ist das wirklich Realität? Ja. Das kommt durchaus auch bei anderen "Geistern" vor. Ein neuer Klavierlehrer vermag mir plötzlich etwas vom Klavierspielen zu vermitteln, wo ich vorher nur Noten und Tasten gesehen habe. Oder der neue Trainer schafft es, der mutlosen Mannschaft neuen Siegeswillen zu vermitteln. Und genauso vermittelt der Heilige Geist mir eine neue Sicht meines Lebens. Und das kann mir im Lauf des Lebens immer wieder geschehen, daß ist kein einmaliges Erlebnis.

Bleibt zum Schluß die Frage nach der Kirche. Pfingsten, der Geburtstag der Kirche. Was hat der Heilige Geist nun noch mit der Kirche zu tun?

Nach dem bisher gesagten ist das ganz einfach zu beantworten. Diejenigen, denen der Heilige Geist die Augen über Jesus und seine Gott geöffnet hat, die bilden zusammen die Kirche. Das im Verlauf der Zeit da eine riesengroße Organisation draus geworden ist, hat seine Vor- und Nachteile. Aber zunächst versammeln sich in der Kirche, im Gottesdienst diejenigen, die der Heilige Geist angesprochen hat und darauf hoffen, daß er es immer wieder tut. Und das geschieht nach wie vor. Oftmals ganz leise, mitunter aber auch laut und heftig und in durchaus auch mal so, daß Menschen sich von Gottes Geist überwältigt fühlen.

Amen.